Pothead in Erfurt - 11.11.2023

Wir Berliner sind ja gegen jegliches Faschingsgedöns immunisiert. Maximal essen wir einen Pfannkuchen (andernorts als Berliner bekannt). Daher fällt es uns auch gar nicht schwer den Tag im Sinne der Rockmusik zu verbringen.

Heute mal pünktlich auf die Minute, was gar nicht so einfach ist. Am Donnerstag war noch nicht klar, was denn das für eine Minute eigentlich sein würde. Am Freitag um 11.33 Uhr bekommt mein Mister endlich eine Nachricht: 11.20 Uhr Brad abholen, 11.30 Uhr Sprinter, 11.40 Büro, danach zum Studio.
Um 13.21 Uhr kommt folgende Nachricht: 10.50 Brad, 11.00 Sprinter, 11.10 Büro, danach zum Studio.
Nur einige Minuten später bimmelt das Handy erneut: 10.20 Uhr Brad abholen, 10.30 Uhr Sprinter, 10.40 Uhr Büro, danach zum Studio.
Nun gut, wir fahren also um 10.19 bei Brad vor, der schon vor der Tür wartet und genau um 10.20 im Auto sitzt. Tatsächlich geht es genau so weiter und so fahren wir pünktlich um 14.30 beim HsD vor. Ausladen, kurz diskutieren wo der Stand hinkommt, hoch zum Backstage, ein paar Leckerlies vom Buffet sinnlos in den Mund stopfen und wieder runter den Stand aufbauen. Zwischendurch ist das Essen fertig - vorzügliches Gulasch mit Gnocchis - dann den Stand zu Ende aufbauen.
17.00 Uhr. Schnell ins Hotel einchecken. Hier treffen wir die Cousine von meinem Mister und ihrem Mann. Sie waren neugierig, was wir so machen und wir waren gespannt, ob sie damit was anfangen können. Die vorab geschickten Musikbeispiele treffen erstmal auf Skepsis. Ja, der eine oder andere Song wäre schon ganz nett, aber da wäre ja auch viel Krach dabei. „Kein Problem, wenn es euch nicht gefällt, dann geht ihr halt, niemand muss sich Musik antun, die ihm nicht gefällt.“
Als wir in die Halle zurückkommen, hat der Soundcheck begonnen. In der leeren Halle hört sich natürlich alles eher so semi an. Yvonne guckt etwas gequält, Peter sieht aus wie jemand, der es wie ein Mann ertragen will. Aber irgendwie ist ja alles auch ganz spannend. Außerdem kann man sich auch mit Unterhaltung im Sinne von "Wie geht es denn...." ablenken. Schließlich sehen wir uns nicht oft. Und dann gibt es ja noch die Fachgespräche von Tontechnikern, die man belauschen kann. Nun wissen wir, dass es asymmetrischen Klinkenkabel gibt, haben allerdings keine Ahnung wofür. Aber: Sie können kaputt gehen!
Fast pünktlich öffnen sich die Türen und das Volk schlendert in die Halle und viele davon auch gleich zum Stand. Es gibt selten Gedränge aber kontinuierlich was zu tun. Zu jedem verkauften T-Shirt, jedem Album gibt es ein Schwätzchen und Fragen. Ich begrüße die üblichen Verdächtigen, freue mich sehr über die eine Hälfte der Sauerländer, die wir länger schon nicht mehr gesehen haben, und werde von einigen begrüßt, die ich zwar nicht mit Namen kenne aber erinnere mich an nette Gespräche auf den letzten Konzerten. Das ist in Erfurt wirklich toll, dieses liebevolle Interesse an der Band und auch an uns. Viele haben Pothead-Erlebnis-Geschichten zu erzählen und die Augen leuchten in Erwartung der kommenden 2 Stunden. Die werden auch wieder sehr speziell. Natürlich schwappt diese schöne Stimmung auf die Bühne und wird von Brad eingesogen. Man merkt, dass er viel Spaß hat. Jetzt wo die Halle voll ist, hört sich der Sound auch gleich ganz anders an. Ich bin zufrieden, viele andere auch. Trotzdem bleibt das Thema Sound immer schwierig. Auch heute wird sich der eine oder andere darüber beschweren. Aber vielleicht hätte man dann einfach mal den Platz wechseln sollen. Das kann oft schon helfen. Und dann ist es ja auch zu einem Teil eine Geschmacksfrage.
Der Weg in den Graben vor der Bühne führt durch den Künstlereingang. Dabei komme ich am Merch vorbei, wo mein Mister ein Schwätzchen mit seiner Cousine hält. Sie sind also noch da, dann kann es ja so schlecht nicht sein. In den Graben komme ich zu einem lichttechnisch ungünstigen Zeitpunkt und muss auf den nächsten Song warten, um ein paar vernünftige Fotos machen zu können. Da stupst mich jemand an "Egal was du fotografierst, lächle doch mal!" Natürlich muss ich lachen. War mir nicht bewusst, dass ich so grimmig geguckt habe und schon gar nicht, dass das bemerkt wird. Ich versuche ihr zu erklären, dass das mein Konzentrationsgesicht ist und hoffe, damit zu überzeugen. Aber sie hat ja recht, anstatt mich über das schlechte Zusammenspiel zwischen Licht und Kameratechnik zu ärgern, sollte ich lieber den Song genießen. Danke für den Tipp, habe ich dann auch befolgt. Ich hoffe, man hat mir das auch angesehen.
Nach dem Konzert stehen schon Anika und ihr Papa mit einem Plakat bereit. Seit ihrer Geburt ist Anika unfreiwillig ein Rock Child. Erst hat ihr Papa ihr immer ein Shirt vom Konzert mitgebracht, seit letztem Jahr darf sie mit. Dieses Jahr ist sie - scheinbar freiwillig - wieder mitgekommen. Natürlich gehe ich hoch und hole ihnen die gewünschten Autogramme. Als ich runterkomme, stehen schon die nächsten Autogrammjäger parat, also wieder hoch. Grade angekommen, klingelt mein Handy: Ich soll gleich nochmal runterkommen, da ist noch jemand mit einer LP.... Eins der vielen Arbeitsgesetze: Die Anzahl der Autogramwünsche erhöht sich mit der Anzahl der Stufen, die man zum Backstage laufen muss. Is' so. Yvonne und Peter lungern immer noch am Merch herum und bringen die ganze Mühe kurz auf den Punkt, als ich eine unterschrieben Platte zurückbringe: „Na da hast Du ja wieder jemanden glücklich gemacht!" Ja, und das macht verdammt viel Spaß! Einige Zeit später helfen sie uns noch die gepackten Kisten wieder in den Sprinter zu bringen. Eigentlich wollen wir zusammen in den Museumskeller, aber da spielen heute skandalöserweise 2 Bands und es ist immer noch voll. Also trennen wir uns, sie gehen ins Hotel, wir gucken mal bei Kuni vorbei. Der Camper ist auch im Dunkeln leicht zu finden, weil man ihn hört. Kennt ihr das Zelt aus einem der Harry Potter Bücher? Je mehr Leute in den Camper steigen, desto grösser scheint er innen zu werden. Ich darf mich in den wunderbaren Beifahrersessel setzen und Roland und Anja versorgen meinen Mister und mich mit einer Pulle Havanna und eiskalter Cola. Sogar eine Limette taucht auf, bleibt aber lange nur ein Fotoobjekt, dass das Erscheinungsbild auf dem Tisch ein wenig verbessern soll. Irgendwann ist sie plötzlich aufgeschnitten und wird im Glas versenkt. Hier kommt nix weg und alles wird verwertet.  Jeff kommt vorbei, lässt seine Taschen stehen und geht noch auf eine andere Party. Eine Stunde später ist er wieder da und trinkt den letzten Havanna aus. Nun, da wir alles ausgetrunken oder verkleckert haben, können wir zufrieden ins Hotel gehen.
Als wir um.9.00 den Frühstücksraum betreten ist nur Brad schon da. Fünf Minuten später finde ich mich vertieft in einem Gespräch über griechische Geschichte wieder. Also, Brad spricht, ich höre zu und während er von Kronos und Aphrodite erzählt, werfe ich mal "Zeus" ein. So langsam treffen auch die anderen ein. Susanne und Karsten treffen wir im Fahrstuhl als wir wieder zu unserem Zimmer fahren wollen. Kurze Verabschiedung, dann geht's auch schon weiter. Gerne hätte ich den Tag noch mit allen ein wenig in Erfurt genossen, aber das Musikervolk will nach Hause...

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