Pothead im Huxleys 2016

Die drei Türme und die Fäden – sie alle zu knechten ... Donnerstag, 14.01.2016, vormittags: Ein Mann, den wir hier einfach mal J nennen wollen, nimmt auf einem Vorstadtbahnhof den roten Faden dieser Geschichte auf. Hier trifft er auf Murphy und seine Gesetze und entscheidet sich nicht wieder einfach zurück ins Bett zu gehen, sondern springt in den wartenden Zug Richtung Berlin

Diese hektische und unüberlegte Entscheidung wird ihn ersteinmal 60 € kosten (hätte er ein Ticket gezogen, hätte er 45 Minuten auf den nächsten Zug warten müssen) und ihn in den nächsten Tagen tief in Probleme verstricken. Er wird feststellen, dass fade-in nicht gleich fade-out ist, die inzwischen weißen Fäden werden ihm aus den Händen gleiten, er wird eine Marionette der Technik werden, sich in Kabel und irgendwelchen Trippel-Dingern verheddern und er wird auf Indianer treffen, die sich einfach nicht in die gewünschte Reihenfolge aufstellen lassen wollen. Am Ende des dritten Tages werden sich feine graue Fäden durch seine Haare ziehen aber er wird den Kampf gegen Murphy und die Fadenwürmer gewonnen haben. Die Menschen werden ihn lieben und für seinen Einsatz ehren. Er wird als stolzer Mann den Zug zurück in die Pampa besteigen und ganz sicher wird er ein Ticket gekauft haben.

Selbstverständlich braucht ein wackerer Kämpfer starke Mitstreiter und eine große Armee: Den großartigen Gitarrero Brad, der jeden kleinen Fehlerteufel mit einem Gitarrensolo von der Bühne fegt. Jeff, den nichts aus der Ruhe bringen kann und der plötzliche Ausfälle seiner Mitstreiter mit seinem wunderbaren Bass kompensiert. Robert, der Taktvolle, der seinen Treueschwur erst kürzlich geleistet hat, und nun mit großer Freude und goldenen Schuhen seine Brüder schlagkräftig unterstützt. Dann sind da Bruder Kai und Bruder Conny, die die Kämpfer mit Nahrung versorgen, die Verbindung zwischen ihnen halten und das Schlachtfeld aufräumen. Und Bruder Steffen, der dafür sorgt, dass Gitarre, Bass und Trommel in die Köpfe und Bäuche des großen Heeres fährt und es antreibt. Zusammen haben wir zwei großartige Schlachten geschlagen und zwei  – im wahrsten Sinne des Wortes – umwerfende Abende erlebt.

Donnerstag: Als ich mich um 10.00 Uhr endlich aus dem Bett schäle, schicke ich im Geiste einen Gruß an Jürgen und seine Crew, die in diesem Moment wahrscheinlich grade dabei sind Tonnen von Zeugs ins Huxleys zu schaffen. David Bowie hat mich aufgehalten. Bis 2.00 Uhr nachts habe ich mich durch TV und Radio gezappt und immer wieder die gleichen Berichte und Konzertausschnitte gesehen/gehört. Und jetzt komme ich nicht aus dem Knick. Lemmy ist tod, Bowie ist tod und mir ist auch schon ganz schlecht. ... Um 14.00 Uhr komme ich endlich im Huxleys an. Es sieht allerdings so aus, als wären hier auch alle noch nicht so richtig in Fahrt gekommen. Es gibt Probleme. Kabel werden getauscht, es wird wild diskutiert, Teile ausgetauscht und sehr, sehr viel telefoniert. Ich lausche: Beamer, PC und das Gedöns dazwischen sprechen offensichtlich nicht die selbe Sprache, jedenfalls kommt hinten nicht das raus, was vorne eingegeben worden ist. 3 Stunden lang passiert nur folgendes: Telefonmann spricht mit Jürgen, klettert die Leiter hoch, telefoniert, fummelt am Beamer, telefoniert dabei weiter, Leiter wieder runter, zum PC laufen, dort rumfummeln, mit Jürgen diskutieren, wieder telefonieren, auf die Leiter steigen, am Beamer fummeln, dabei telefonieren, wieder zum PC laufen, ratlos rumstehen, diskutieren, telefonieren, auf die Leiter steigen. ... Um 17.00 Uhr beschließe ich gegenüber im Hotel zu checken, ob Zerosusi schon eingetroffen ist. Mein letzter Blick fällt auf ein sehr untypisches Bild: Jürgen mit verwurschteltem Haar, errötet und mit fast schon sichtbarem »dicken Hals«.

Freitag: Auf dem Weg zum Huxleys mache ich trotz großer Spannung einen Umweg und fahre bei der im Meistersaal stattfindenden Trauerfeier für David Bowie vorbei. Um 15.00 Uhr trudele ich im Huxleys ein: Die Bühne sieht fertig aus. Der Beamer spuckt die Bilder aus, die vorgesehen sind. Allerdings ist Jürgen wohl schon wieder mit dem nächsten Problem beschäftigt. Diese Produktion wehrt sich. Siggi hatte auch schon geklagt, daß sie ständig mit Umtauschen und Leuten hinterherrennen beschäftigt war. ...Egal, um 21.00 Uhr ist die Technik startklar (was nicht macht, was es soll, ist rausgeflogen) und die Männer sehen in ihren neuen Anzügen und Schuhen einfach knallermäßig aus – es kann losgehen. Aber auch während des Konzertes krümmt sich der Fadenwurm – getreu dem neuen Intro »Trouble with Pothead«: Gitarrenseiten reißen, Textzeilen gehen verloren, es gibt Konfusionen. Nach dem Konzert sind alle Beteiligten fertig mit den Nerven und brubbeln immer nur was unverständliches, wenn man sie fragt, wie es war. Fragt man allerdings die Zuschauer, sieht man in glückliche Gesichter: Haben wir doch alle Pothead endlich mal wieder jammen gesehen/gehört und es gab ein paar wirklich tolle Versionen von einigen Songs. Wenn überhaupt ein »Fehler« wahrgenommen worden ist, dann freuen sich alle darüber, weil sie nun etwas ganz spezielles erzählen können, nach dem Motto »Ey, da hast du was versäumt! So unterschiedlich kann Wahrnehmung sein.

Nachspiel: Ein paar Wochen später steigt Robert unfreiwillig über den Lenker seines Fahrrads ab und bricht sich beide Hände. Noch aus dem Krankenhaus organisiert er selber einen Ersatzmann. Den Sommer über wird Pothead mit Bert am Schlagzeug auftreten.