Pothead im Huxleys
It's magic
Als ich um 16.00 Uhr im Huxleys ankomme, ist in den Backstageräumen schon die Hölle los. Eine unübersichtlich Zahl Kinder, Mütter, Freundinnen, Kumpels und guten Huxleys-Geistern schwirrt durch die Räume. Dazwischen trabt gemütlich Herr Lehmann hin und her, mal die Nase auf dem Boden, mal in der Luft, Richtung Buffet gerichtet. Allerdings steht ihm um diese Zeit der Sinn lieber nach Streicheleinheiten. Herr Lehmann hat Oberschenkel-Höhe, ist braun und sieht ein wenig strohig aus, ist aber tatsächlich weich und anschmiegsam. Letzteres hindert mich dann auch am Weitergehen. Etwa eine Viertelstunde stehe ich in für den Rücken schlechter Haltung mit 35 Kilo Lebendgewicht an meinen Knien und kraule Herr Lehmanns Nacken ...
Robert drischt währenddessen wieder in Endlosschleife auf seine Schlagelemente ein zwecks Soundcheck, was – wie ich eben wieder selbst erleben konnte – im darunter liegenden Supermarkt zumindest die kleinen Flaschen klirren läßt. Jeff beobachtet derweil Jürgens Lichtexperimente. Brad steht ein wenig ungeduldig rum und will endlich loslegen. Mein Mister und Siggi diskutieren über die richtige Position der T-Shirts, Alben, Magnete etc., während der Backliner Steffen seine Parkkarte sucht – und erstaunlicher Weise auch wiederfindet. Aber allein das Wiederfinden schützt natürlich nicht vor hämischen Bemerkungen der umstehenden Frauen. Herr Lehmann ist einen kleinen Moment abgelenkt und so nutze ich die Gelegenheit, klinke mich aus Hundekraulerei und Männer-Veräppeln aus und werfe mal einen Blick auf die Bühne.
Jeff, mein Mister und ich sind gestern schon mal hier gewesen, weil wir neugierig waren, was Jürgen lichttechnisch so auf die Bühne gestellt hat. Wir hatten dann festgestellt, dass das alles sehr schön aussieht – nur die Band würde das Gesamtbild irgendwie stören. Wir hatten dann beschlossen, dass das Schlagzeug neben die Bühne gehört und Brad und Jeff hinter den beiden großen Lichtsäulen stehen müssten.
Aber wie das so mit wirklich guten Ideen immer so ist – sie werden nicht umgesetzt und so steht das Schlagzeug wieder da wo es hingehört und Brad und Jeff haben vor den Säulen doch auch noch Platz Ihre neuen Anzüge zu präsentieren. Robert verdeckt nun leider den einen Strahler, wodurch das H bei POTHEAD nicht zu sehen ist. Mein Mister verweigert sich der Idee, dass er während des Konzertes hinter dem Schlagzeug steht und den Strahler so lange hochhält. Tatsächlich fehlt es ihm inzwischen wohl auch an Geschmeidigkeit um den Strahler entsprechen schnell zu drehen und zu kippen. Eine Kiste tut es auch. Obwohl das H nun zu sehen ist, ist Jürgen noch nicht zufrieden. Ein Vorhang, der das ganze Bild komplettieren sollte, ist nicht geliefert worden. Das ist natürlich ärgerlich, aber nicht zu ändern. Außerdem weiß das ja außer Jürgen keiner, braucht sich also auch kein anderer drüber ärgern. Später am Abend wird sich auch niemand über zu wenig oder eine schlechte Lichtshow beklagen, im Gegenteil.
Brad hat inzwischen durchgegriffen und »I'm A Sinner Too« schallt durch die Halle. Es folgen »Broken Glass«, »We Were Young«, »Everlasting Gobstopper«, »Stadium« und »Emotion Of The Potion« und fertig ist der Soundcheck. Ich stehe oben auf der Galerie und ärgere mich, dass wir das nicht aufgenommen haben. Whow, war das gut! Normalerweise wird jetzt noch unendlich rumgefrickelt, aber alle – selbst Brad – gehen von der Bühne. Es ist 17.30 Uhr und alle sind fertig. Ein kurzer Moment der Irritation, dann wird die Zeit genutzt um noch ein wenig zu chillen – und Hühnersuppe zu essen, ist kalt in der Halle!
Kurz vor Einlassbeginn drehen sich die Gesprächsthemen hauptsächlich um kalte Füße und die grade grassierende Grippewelle. Bereits eine Stunde später hat sich das mit den kalten Füßen erledigt und die Jacke wird in irgendeine Ecke gepfeffert. Die Zeit bis zum Konzertbeginn reicht grade mal so um alle, die wir kennen, zu begrüßen.
Das Konzert läuft von Anfang an super. Mit »Broken Glass« ist der zweite Song gleich eine Überraschung. Lange nicht mehr gespielt, ist der Song vom Album "Burning Bridges" gleich eine Ansage für den Abend. Mit »We Were Young«, »Lull Of Winter« und »Everlasting Gobstopper« sind vier alte Songs neu entdeckt und ein bisschen aufgefrischt worden. Es gibt zwei Zugaben und viel Applaus.
Nachdem ich die Setlisten verteilt und ein paar »Fachgespräche« :-) geführt habe, ist vor der Tür zum Backstage bereits eine Schlange. Die seltsame Rangelei um den Einlass zum Backstage nach dem Konzert versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Mal ne Viertelstunde abwarten kann doch eigentlich nicht so schwer sein. Zumal dort ja nun auch endgültig das Rauchverbot angekommen ist und am Ende die Meisten draußen auf der Brücke zur Bühne stehen. Als so gegen 2.00 Uhr sich ein großer Teil der Leute wieder verabschiedet hat, dürfen sich die letzten Überlebenden über das Buffet hermachen. Hier ist noch mal nachgelegt worden. Obwohl alles sehr lecker ist, und Herr Lehmann sehr erfolgreich seinen Charme spielen läßt, gelingt es uns nicht alles aufzuessen. Dabei ist praktisch ständig irgendjemand am kauen. Wer nicht vor dem Buffet rumschleicht, lümmelt auf dem Sofa herum. Das ist so ein Loungesofa, was es einem schwer macht wieder aufzustehen. Es folgt eine akustische Dauerschleife von »Oooch nö. Ich muss pullern ... oooch. ... lch mag nicht aufstehen«. Dazwischen wird immer wieder betont, wie schön der Abend ist und wie cool das alles ist und ... »pfffft, klatsch,uff« ... hat sich – für uns leider nur akustisch wahrnehmbar – jemand im Flur hingelegt. Kleine Schrecksekunde, aber es gibt noch Leben so kurz über der Erdoberfläche und schon steht derjenige wieder – nur um ein paar Minuten später seine Bierflasche fallen zu lassen. Wir nennen Ihn ab jetzt »The Great Gravitator« und freuen uns, dass uns diese Form der Erdanziehungskraft nicht getroffen hat.
Sollte mal einer einen Song drüber schreiben: »The Great Backstage-Gravitator« ist auf jeden Fall ein schöner Songtitel.
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