Pothead April 2022 - 08.04.2022
Es geht wieder los!
Lotte muss kacken.
Dagegen ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber das muss ja nicht unbedingt jetzt sein.
Es ist 9.00 Uhr, um 10.00 Uhr sind wir mit Jeff im Pothead-Büro verabredet. Bis dahin müssen wir Lotte bei meinen Eltern abgeben, unser Auto gegen den Pothead-Sprinter tauschen und dann zum Büro fahren. Das alles Freitagvormittag quer durch die Berliner City. Bis eben waren wir in der Zeit aber nun muss der kleine Hund dringlich und findet keinen Platz dafür. Nach minutenlangem Hin- und Hergelaufe entscheidet sie sich vor die Tür des Nachbarhauses zu kacken - genau in dem Moment als ein älterer Herr mit Stock das Haus verlassen will...
Nach einer halben Minute Fahrt kommt uns in einer sehr engen Straße ein Müllauto entgegen und nur drei Straßen weiter fährt vor uns ein Fahrschulauto, offensichtlich die erste Stunde. Als wir endlich beim Büro ankommen, steht ein Umzugswagen direkt in der Einfahrt. Da rechts und links Motorroller stehen, haben wir nicht mal ordentlich Platz um die Kartons mit den Shirts und CDs etc. vorbeizutragen. In der ganzen Straße gibt es keine Lücke.
Gut, dass für das Wochenende nicht so viel Merch geplant ist wie früher. Siggi ist nicht mehr dabei. Nach 28 Jahren Arbeit für Pothead als Managerin, Bookerin, Merch-Verkäuferin, Büroangestelte, Buchhalterin und was sonst noch angefallen ist, haben die Umstände der letzten Jahre dafür gesorgt, dass sie nun einen ganz anderen Job hat, der weniger stressig ist und ihr gut gefällt.
2 Jahre Planungsunsicherheit wegen der Pandemie und den für Konzerte mühevoll zu händelnden Regeln haben es schwer gemacht Ersatz zu finden. Mein Mister hat an diesem Wochenende frei und freut sich darauf als Merch-Verkäufer einzuspringen.
Wir fahren zum Studio, wo wir endlich auch alle anderen treffen. Brad und Robert haben wir in den zwei Jahren nur zweimal gesehen, Backliner Steffen und Lichtmann Jürgen auch nur ein paar Mal. Tonmann Steffen Heinrich ist leider ausgerechnet jetzt verhindert und hat seinen Kollegen Detta als Vertretung geschickt. Wir freuen uns sehr, wieder mit auf Tour gehen zu können und alle wiederzusehen. Verdrängt hatten wir allerdings, dass vor dem Vergnügen die blöde Schlepperei und Packerei ansteht. Ein bisschen fasse ich auch mit an aber dann schmerzt das Knie und bevor der Rücken auch anfängt, werden die Cases sowieso zu schwer. Also versuche ich wenigstens nicht im Weg zu stehen. Ja, ich weiß, ein bisschen Fitnesstraining würde sich neben dem Bürojob gut machen, aber nicht im Weg zu stehen kann auch anspruchsvoll sein.
Die Stimmung während der Fahrt nach Dresden ist verhalten. Jeder hängt so seinen Gedanken nach. Zwei Jahre herrschte Stillstand, zwischenzeitliche Sinnkrisen und Existenzängste inbegriffen. Bis vor zwei Wochen war nicht mal wirklich klar, ob das dieses Wochenende was wird. Und nun werden in ein paar Stunden Pothead wieder auf der Bühne stehen in einer gut besuchten Konzerthalle - ohne Abstands- und Maskenregeln. Wir sollten eigentlich alle ganz euphorisch sein, aber noch ist es eher komisch - eben noch nicht real. Wie wird der Abend heute? Werden auch alle kommen? Sind alle gesund geblieben oder hat es jemanden aus den Latschen gehauen? Wird die Stimmung so sein wie früher? Will überhaupt noch jemand Pothead hören? - Ja, ich weiß, das ist wirklich eine blöde Überlegung, aber 2 Jahre weg vom Fenster, lassen nun mal komische Gedanken aufkommen.
Zum Glück verläuft die Fahrt ohne Staus und ist deswegen kurz. Ehe wir uns zu sehr in unsere Gedanken verwursteln können, sind wir vor dem Alten Schlachthof, müssen ausladen, ist das Essen fertig und auch schon gegessen, der Merchstand aufgebaut und draußen werden die ersten Konzertbesucher gesichtet.
Da der Stand schon aufgebaut, der Soundcheck aber noch nicht angefangen hat, gehen mein Mister und ich schnell rüber in das Reich von Hausmeister Uwe ... und da ist die Hütte schon voll! Wie schön wieder in verrauchter Kneipenatmosphäre auf eine Horde Gleichgesinnter zu treffen und mit einem gepflegten Radler (ja, der Abend wird schließlich lang) anzustoßen. Das Emotionslevel steigt...
Pothead – Konzert-Bericht aus Dresden – 08.04.2022
Soundcheck – für mich immer der beste Teil unserer Exkursionen mit Pothead. Fast alleine in der Halle zu stehen und das volle Brett um die Ohren gehauen zu bekommen, fand ich richtig toll. Heute stehe ich im Alten Schlachthof und kann das nicht genießen, weil mir die Leute fehlen. Das hat noch sowas von Lockdown. Plötzlich überkommt mich eine große Müdigkeit. Ich nutze die Chance, die mir der Soundcheck bietet und lege mich Backstage ein wenig aufs Sofa. „Das muss sich dringlich wieder ändern“, denke ich und nicke ein.
Nach 20 Minuten Power-Napping schleiche ich immer noch müde zu meinem Mister an den Stand, grade in dem Moment als Uwe die letzten Masken- und Abstandsschilder von den Türen entfernt. Gleich werden die Türen aufgemacht und dann...
...füllt es sich erstaunlich schnell. Einige entern gleich die erste Reihe vor der Bühne, die meisten holen sich erstmal ein Bierchen und quatschen. Bald darauf riecht es nach Pommes und Wurst. Ich gehe mit einem debilen Dauergrinsen vom Stand in die Halle und wieder zurück und freu mich infach nur. Als ich wieder in die Halle komme, ertönt Abba mit „Super Trouper“ aus den Lautsprechern. ??? Steffen Heinrich fehlt! Er hatte immer so schöne Vor-Konzert-Mucke dabei. Nun macht irgendjemand irgendwas... ABBA! ... Also wirklich. ... Zum Glück kündigt mein Telefon LiNa aus Luckenwalde an. Bei ihr haben die zwei Pandemie-Jahre zur Vermehrung geführt. Maximale und wohl auch beste Nutzung dieser verlorenen Jahre. Baby Tilda soll heute in die Gemeinde eingeführt werden. Frühkindliche Sozialisierung – sehr wichtiges Thema. Die junge Dame betrachtet ihre neue Umgebung mit ernstem, interessiertem Blick und quittiert das Ergebnis ihrer Forschung mit einem Lächeln. Auch Papa Falco ist heute das erste Mal bei einem Pothead-Konzert und wird gleich ein guter Kunde bei meinem Mister. Am Stand ist überhaupt viel los, mein Mister reicht ein Shirt nach dem anderen über den Tisch. Am Ende dieses Abends werden einige Kisten leer und einige Größen bereits ausverkauft sein. Die Basecaps schaffen es gar nicht bis Erfurt und auch Cds und sogar Vinyl werden gekauft.
Und dann geht es tatsächlich los: Mit „Satisfied“ lassen Brad, Jeff und Robert 2 Jahre Pandemie in Vergessenheit geraten. Es folgt ein sehr gutes, fast perfektes Konzert mit guter Stimmung im Publikum. Hin und wieder denke ich allerdings, dass schon noch ein bisschen mehr Begeisterung herrschen könnte. Alle sind gutgelaunt, es wird getanzt und natürlich will man auch eine Zugabe hören – aber trotzdem...
das haben wir alles schon emotionaler erlebt. Aber vielleicht liegt das auch an mir. So richtig euphorisch bin ich selber auch nicht, als würde ich mich nicht mehr daran erinnern, wie das noch so ging mit dem Aus-sich-raus-gehen. Durchdrehen, durchdrehen – geht noch nicht. Oder ist meine Erwartungshaltung einfach viel zu hoch? Egal. An Pothead liegt es nicht, alle gehen zufrieden nach Hause.
Auch von Tilda müssen wir uns wieder verabschieden. Sie dürfte zwar noch nicht in den Konzertsaal, hat aber einige nette Leute kennengelernt, die alle ihrem Charme erlegen sind. Sie guckt jedenfalls sehr zufrieden und schenkt uns zum Abschied noch ein Lächeln. Als die Arbeit getan ist (Stand abbauen!), gehen wir wieder rüber zu Uwe. Hier sind alle bester Laune und es wird .... na, sagen wir mal.... Diskussions- und Performance-Billiard gespielt. Anscheinend muss man immer erst mehrmals um den Tisch tanzen und mit mindestens 5 Leuten die (Kugel-)Lage diskutieren, bevor man den nächsten Stoß macht. Eine Partie dauert ewig, ist aber sehr unterhaltsam. Während ich mich darüber amüsiere, tanzt Roland um mich herum und verkündet mir mit strahlendem Lächeln, dass er sein Handy und seine Autoschlüssel verloren hat. Worüber man sich nach 2 Jahren Pandemie so alles freuen kann!?! Beides findet sich übrigens zu sehr viel späterer Stunde wieder an. Hier bei Uwe kommt nix weg.
Jeff kommt auch noch und wenn ich mich recht erinnere, kann er auch eine Partie Diskussions-Billiard gewinnen. Während seiner zweiten Partie verlassen wir die Gesellschaft – eigentlich ungerne, aber es geht schon bald weiter nach Erfurt und der Tag wird noch mal arbeitsreich. Die Jüngeren in dieser illustren Gesellschaft sind eh schon auf dem Sofa eingeschlafen.
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