Mit Pothead in Rostock 2016
Warum Robert die 1. Wahl und wir nur die 2. Wahl sind und warum am Ende alle nur auf die Dritte Wahl gewartet haben, erfahrt ihr, wenn ihr auf den kleinen roten Pfeil klickt....
Samstag, 03.09., in Berlin: 26°C, die Sonne scheint, ein paar Schäfchenwolken haben es sich am strahlend blauen Himmel bequem gemacht. Heute ist viel los in der Stadt: Radio Eins feiert Parkfest, unser Kiez feiert sich selbst, auf dem Maifeld ist ein Poloturnier und in Lichtenrade findet ein Mopsrennen statt. Abgesehen von diesem möglichen Tagesprogramm verwandelt sich sowohl unser Garten als auch die Wohnung grade in ein eigenständiges Biotop. Beides müßte eigentlich mal wieder ausgiebig gepflegt werden. 1000 Gründe um mal wieder ein Wochenende zu Hause zu verbringen. Konsequenter Weise stehen wir daher im Stau auf der A19 auf dem Weg nach Rostock. 20°C, der Himmel ist grau, es fängt an zu nieseln und mein Mister motzt jedem Auto hinterher, das sich nicht an das korrekte Reisverschlußverfahren vor der Baustelle hält.
Hinter der Baustelle juckeln wir in einem relativ gechillten Tempo weiter; wir sind zeitig losgefahren und haben es nicht eilig. »Guck mal da….!!!!!« schreit mein Mister plötzlich. Ich gucke und rufe, was ich schon immer mal rufen wollte: »Folge diesem Auto!« Zum Glück sind wir jetzt in einem Alter, in dem einem nix mehr peinlich ist und wir uns ein Polizeifoto leisten können, daher tritt mein Mister aufs Gaspedal und hetzt dem Pothead-Bus hinterher. Unsere Lieblingsband ist spät dran, wir haben Mühe zu folgen. Kurz vor dem Ziel wird es dann albern: Wir müssen zur Bühne des IGA-Geländes, die Adresse ist: Groß Kleiner Damm, eine Hausnummer gibt es nicht. Das versteht kein Navi, unseres nicht und das von Pothead auch nicht. Also muß mehrmals gewendet werden, bis der Eingang plötzlich und unerwartet doch noch gefunden wird. Jetzt zahlt es sich aus, den Bus so groupie-mäßig verfolgt zu haben, können wir doch mitfahren und parken gleich hinter der Bühne – cooooool! Nach einer freudigen Begrüßung bekommen wir von Siggi gleich unsere Pässe: Einen für Backstage (steht »AAA« drauf, warum auch immer) und einen Fotopaß. Damit sehen wir jetzt auch noch cool aus: Wir sind die Einzigen, die mit zwei blauen Riesenklebern auf unseren T-Shirts rumrennen. Wir kommen uns sehr wichtig vor – tatsächlich ist es wohl eher albern und wir machen uns voll zum Hirsch. Aber es gibt noch eine Überraschung: Jürgen muß gleich nach dem Konzert weiter, weil in Schwerin auch noch Arbeit auf ihn wartet (!!!) und nun ist ein Zimmer frei! Eigentlich wollten wir ja wieder nach Hause fahren, aber so ...
Das Problem des fehlenden Übernachtungs-Equipments schieben wir mal beiseite. Ich schiele ein wenig zum Merch von Dritte Wahl. Die haben so viel, vielleicht ja auch Unterwäsche? Aber will ich wirklich einen Schlüpfer anziehen auf dem »Dritte Wahl« steht??? Nee, dann lieber dreckig an den Frühstückstisch. (…An dieser Stelle kann sich jeder ja mal Gedanken machen über die Gestaltung von Pothead-Unterwäsche ...)
Vor lauter Coolness vergessen wir fast, weswegen wir uns doch noch spontan zu diesem Konzertbesuch entschlossen hatten: Robert wird heute wieder an den Drums sitzen! Coole Leute können sich coole Fragen leisten und so eröffnen wir mit: »Na, bist Du schon aufgeregt?« Nun ist Robert ja Leid gewöhnt, außerdem ein sehr freundlicher, humorvoller Mensch und wir werden nicht die Letzten sein, die ihm heute diese Frage stellen. Natürlich ist er – noch – nicht aufgeregt und die Hände sehen nicht nur wieder ganz ok aus, sie sind auch wieder gut in Form. Ist jetzt alles nur noch eine Frage der Ausdauer. Da ist es gut, mit einem 70-Minuten-Gig anfangen zu können. Um 19.30 Uhr können wir uns dann davon überzeugen, dass alles wieder gut ist: Robert ist wieder da und knallt uns mit lässiger Eleganz die Pothead-Beats um die Ohren, als wäre nie etwas gewesen. Wir sind begeistert. Offensichtlich nicht nur wir. Jedenfalls gibt es viel Applaus und eine Zugabe muß auch noch her – mehr ist nicht drin, schließlich ist das ja eigentlich der Abend von Dritte Wahl.
Teil 2:
Viel Zeit ist nicht für den Umbau der Bühne. Innerhalb einer Viertelstunde muss das Pothead-Equipment runter und die Sachen von Dritte Wahl rauf auf die Bühne. Die Banner müssen getauscht werden, ein Vorhang wird angebracht. Gefühlt 100 Leute rennen auf, neben, hinter und vor der Bühne hin und her. Es ist keine Zeit, alles ordentlich zu verstauen. Roberts Schlagzeug wird so runtergetragen wie es ist. Hinter der Bühne entsteht ein wildes Durcheinander. Es ist zwar dunkel aber ich kann erahnen, wie Jürgen, Kai und Steffen mit den Augen rollen und die Stirn kräuseln. Hilft aber nix. Als alles von der Bühne runter ist, wird erstmal durchgeatmet, eine Zigarette geraucht, am Bierchen genippt und dann in aller Ruhe alles ordentlich eingepackt. Ich will nicht immer im Weg rumstehen und geh mir Dritte Wahl anschauen. Vor der Bühne ist gute Stimmung. Ich falle wahrscheinlich gleich auf, weil ich die Texte nicht kenne und daher nicht mitsingen kann. (Aber mit meinen zwei Pässen bin ich ja sowieso zu cool zum Mitsingen …) Es gibt Kanonen mit Papierschlangen und Konfettiregen. Dann kommt auch noch Storch Heiner um alle daran zu erinnern, was passieren kann, wenn man nicht zur Wahl geht. Sänger Gunnar bittet nochmal alle eindringlich jeden, etwas gegen den drohenden Rechtsruck zu tun. Hier sind alle damit einverstanden und nun auch hoffentlich entsprechend motiviert. Nach diesem kurzen und wichtigen Break wird weiter gefeiert – um 23.00 Uhr muß Schluß sein, ist schließlich Open Air.
Wir fahren dann auch bald alle ins Hotel – dabei fällt dem super-großstädtischen Berliner auf, dass auch andere Städte groß sind. Wenn man mitten in der Nacht nach einem anstrengenden Tag das Gute-Nacht-Bier rufen hört, ist der Weg vom IGA-Gelände Rostock zum City-Hotel Rostock erstaunlich lang. ...
Wir trinken das selbst mitgebrachte Scheide-Bierchen in der nur spärlich beleuchteten Hotel-Empfangshalle. Hier gibt es ein »Lounge« mit tollen Drehstühlen (Siggi und mein Mister sind ständig in Bewegung) und eines von diesen ach so modischen geschwungenen Lounge-Sofas. Ich erwische den Teil, der besonders tief ist, versuche mich halbwegs elegant an das Rückenkissen zu lehnen und sinke innerhalb von ein paar Minuten damit immer tiefer, bis ich in einer sehr besoffenen Stellung quer wegrutsche. Ich setzte mich auf das Kissen und überrage damit alle anderen um einen ganzen Kopf. Wer designt eigentlich so´n Quatsch? Und wer kauft diesen Scheiß? Na egal, nach dem einen Gute-Nacht-Bierchen haben wir jetzt sowieso alle Bettschwere. Mein unter falschem Namen angemeldeter Mister nimmt sein Groupie mit in sein Einzelzimmer (Rock´n Roll!) und wir versuchen nach Jahrzehnte lang andauernder Ehe das erste Mal mit einer Bettdecke zu schlafen (in gewisser Weise auch Rock´n Roll).
Am nächsten Morgen klingt mir noch Siggis euphorische Ankündigung im Ohr: »Ihr könnt das Zimmer haben, dann könnt Ihr auch duschen!« … Ja … toll … ich hab ja nicht mal ´ne Haarbürste mit (die Zahnbürste konnte wenigstens durch einen Kaugummi ersetzt werden), geschweige denn Creme um meine nach der Dusche knisternde Haut wieder geschmeidig zu machen. Und wie viel Sinn macht ein gut riechender Körper, wenn man die alten Klamotten drüber zieht? Also, da bin ich dann konsequent: wenn schon scheiße, dann richtig. Also nur Katzenwäsche und das Gesicht mit der Handcreme aus der 0,50 Cent Minitube eincremen und dann ab in den sehr vollen Frühstücksraum ...
Fotos: flickr.com