Pothead im Schleudergang
Konzertbericht aus dem Waschhaus Potsdam 2017
Unser Timing ist klasse: etwas überpünktlich treffen wir um 13.10 Uhr auf dem Parkplatz ein, um von unserem Auto in den Pothead-Sprinter umzusteigen. Siggi und Jeff kommen punktgenau 5 Minuten später. Los geht's, Brad aufgabeln und dann zur Lützowstrasse.
Vorm Janitor-Büro treffen wir Steffen, Jenni und Robert und gönnen uns erstmal einen Kaffee. Also...Steffen verbringt eine unendlich lange Zeit damit, dieser zickigen Kaffeemaschine alles recht zu machen (leeren, füllen, Waschgang, tätscheln…). Dazwischen lässt sie durch lautes Gebrumme alle wissen, dass sie arbeitet. Ich gebe den Gedanken an einen eigenen Kaffee auf und trinke meinem Mister den letzten Schluck weg. So, genug Zeit verschwendet, jeder schultert eine Kiste mit Merch, dann müssen noch die Gitarren aus dem Studio geholt werden. Alles andere ist zum Glück schon gepackt, so dass eine Menge Schlepperei entfällt. Jeff und Robert fahren mit dem anderen Bus und wählen den Weg über die Autobahn. Wir fahren durch die Stadt, was meinem Mister und einer einzelnen Dame ausgiebig Gelegenheit gibt, über den Verkehr im Allgemeinen und den anderen Autofahrern im Speziellen zu schimpfen. Ich glaube ja, dass das der wahre Grund ist, warum Menschen Auto fahren wollen: ungehört andere Leute mit »du Flachzange« oder Ähnlichem anschreien zu können. Beide wirken jedenfalls recht entspannt als wir termingerecht um 15.00 ins Waschhaus rollen. Robert und Jeff sind lange da, ihr Bus längst ausgeräumt. Nachdem auch das Merch ausgeräumt ist, wird erstmal gegessen. Es gibt Kassler mit grünen Bohnen und Kartoffeln, wahlweise Nudel- und Tomatensalat. Alles sehr lecker. Eine halbe Stunde später macht Siggi die Fußball-Bundesliga-Konferenz im Radio an und dann wird gearbeitet. Mein Mister hilft beim Merch, ich schlendere so durch die Gegend, bemängele schief Hängendes oder Faltiges und amüsiere mich beim Soundcheck. Technisch läuft hier heute alles gut. Diesmal sind es die Songs, die Pothead schon eine Weile nicht mehr auf der Setliste hatte: Wie war noch gleich der Anfang von »Toxic«? Aber nach ein bisschen Gelächter und Gefrotzel fügt sich alles wieder zusammen. Absolut entspannt und stressfrei vergeht die Zeit heute und dann ist auch schon Einlass. Das Waschhaus hat neue Auflagen für die Zuschauerzahl bekommen. Ab jetzt sind nur noch 700 Leute zugelassen. Tatsächlich ist es später auch wirklich etwas lockerer gefüllt, als in den letzten Jahren und die Saaltemperatur steigt diesmal auch nicht auf »kochen«. An der Stimmung ändert das nichts, die ist super wie immer. Die Jungs auf der Bühne wirken heute sehr losgelöst, sozusagen im Schleudergang. Es wird viel gelacht und Robert tobt sich richtig aus. Großartige Verabschiedungen vor den Zugaben fallen auch aus, es wird nur schnell an der Seite der Schweiß abgeschüttelt und dann geht es auch schon weiter. Muss auch schnell gehen, diesmal wird die Setliste tatsächlich eingehalten und bis Burning Bridges komplett durchgespielt.
Nach dem Konzert leert es sich schnell aber viele stehen auch erstmal noch zusammen und fachsimpeln über dieses und die letzten Pothead-Konzerte, über Gitarren-Riffs und die Songs, Autogramme sind heute gar nicht so gefragt, selbst die Setlisten bleiben weitestgehend unbeachtet. Backstage ist noch einiges los, aber auch hier geht es diesmal nicht so lange. Als die Bühne freigeräumt ist und der Cuba Libre serviert wird, sitzen wir wie Hühner auf der Stange und sind eigentlich alle recht erledigt. Wie gut, dass sich zwischen unseren Reihen ein Yoga-Lehrer befindet. Ein paarmal physiotherapeutisch korrekt auf dem Boden hin und her rollen fördert die Durchblutung und sorgt für neue Energie ... für etwa 2 Minuten. Es ist inzwischen 3.00 Uhr, Siggi mahnt zum Aufbruch. In der Garderobe liegt noch Roberts Hose, was uns zwar zu denken gibt – aber wir sind uns alle sicher, dass er mit Hose gegangen ist. Die Hose und eine Kiste Bier werden ins Auto befördert und schon geht es wieder Richtung Heimat.
Jeder hängt so seinen Gedanken nach, sicher wären wir auch weggenickt aber ein leises Klirren durchdringt die Dunkelheit und übertönt das Motorgebrumme. Die Bierflaschen singen uns ein Weihnachtslied. Klingeling, klingeling, klingelingeling, klingeling… Jeff macht das Radio an, klingeling, und zappt durch die Sender, klingelingeling, er dreht lauter und es dröhnt uns eine Geige und anderes klassisches E-Musik-Gedöns um die Ohren. Die nächsten Minuten verbringen wir zwischen klingeling und TATATATAAAAAAA. Rock'n'Roll denke ich resignierend und versuche Meditation in den vorbeihuschenden Bäumen zu finden. Zum Glück beugt sich Jeff der aufkeimenden Revolte und dreht ein paar Sender weiter. Den Rest der Fahrt verbringen wir mit dem Buena Vista Social Club auf Kuba und können uns den Geschmack des CubaLibres nochmal durch den Kopf gehen lassen. Um 4.30 Uhr hat uns unsere Matratze wieder. Wir rollen einmal hin und her und schlafen mit einem leisen klingeling im Ohr zufrieden ein.
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