Konzert-Bericht aus der Markthalle in HH 2016

Der dichte Nebel, der uns, seit wir an Neuruppin vorbeigefahren sind, begleitet, bereitet mir Sorge. Wenn sich das noch weiter zuzieht, fahren wir am Ende an Hamburg vorbei. Das wäre blöd. Ich muß an die Pothead-Konzerte denken, als wir noch selber bestimmen dürften woran wir sterben wollen und Rauchen noch überall erlaubt war. Wenn man eine halbe Stunde nach Öffnung in die Halle trat, hat man die Bühne eigentlich schon nicht mehr gesehen und konnte die Luft in Würfel schneiden.

Das war nicht gesund aber lustig. Wir Nichtraucher hatten am nächsten Tag grundsätzlich Kopfschmerzen und die ganze Wohnung stank nach den vollgequalmten Klamotten. Das war dann zwar nicht mehr lustig, sorgte aber für eine gewisse Nachhaltigkeit des Konzerterlebnisses. Bei einem richtig guten Rockkonzert vermisse ich die vollgequalmten Hallen. Alle paar Wochen mal nicht auf seine Gesundheit zu achten, kann auch einen durchaus reinigenden Effekt haben. Man verpimpelt nicht so … Aber ich verplaudere mich ... Kurz vor Hamburg kämpft sich die Sonne durch und der Nebel wabert davon. Unser Hotel liegt in St. Georg. Wir kommen offensichtlich zur Haupt-Einkaufszeit an und müssen uns durch Massen von Kleinst- und Großkriminellen, desillusionierten Halb-Erwachsenen mit Migrationshintergrund und Otto-Normal-Verbrauchern aus allen Ländern dieser Welt durchkämpfen. Nach dreistündiger Autofahrt durch Nebelwände, die einen von der Außenwelt abgeschnitten hatten, benötige sogar ich, eine uralte Berliner Großstadtpflanze, einen Moment der Orientierung und fremdel für kurze Zeit. St. Georg scheint zu 2/3 nur aus Hotels (und Parkhäusern) zu bestehen und so beschäftigt mich die Frage, wo diese vielen Menschen eigentlich wohnen. Das Haus unseres Hotels ist gefühlt zwei Meter breit, tut aber sehr herrschaftlich. Drinnen ist es nett und sauber und der Lichtschacht, in den wir aus unserem Kellerfenster gucken, ist liebevoll bemalt mit Segelschiffen auf dem Meer. Wir erinnern uns daran, dass es billig ist und finden alles angemessen und ok. Um kurz vor fünf entern wir die Markthalle und stoßen auf eine ruhige Geschäftigkeit. Um 6 ist der Merchstand fertig und Siggi und Jenni stehen vor dem seltsamen Problem, dass sie Zeit haben. Um halb 7 ist auch der Soundcheck durch und auch die Crew muß nun sehen, wohin mit der Hyperaktivität. Die ersten Bierchen gehen an den Start, allerdings wird mehr angestoßen als getrunken. Zeit zum Quatschen!

Als um 21.00 Uhr Pothead die Bühne entert, ist die Halle sehr gut gefüllt. Diesmal sind mehr als 700 Leute am Start – wieder ein paar mehr als noch im letzten Jahr. Für das Publikum nur wenig sichtbar: die Markthalle hat sich aufgebrezelt und Geld in neue Technik und neue Beleuchtung gesteckt. Auch Siggis Stand erstrahlt in einer neuen Beleuchtung. Auf die Hamburger ist Verlaß: Kauffreudig und von Anfang an guter Stimmung. Unter diesen guten Voraussetzungen ist es eine logische Konsequenz, dass wir einen schönen Abend mit einer gutgelaunten Band erleben. Schade, dass dann alle am Ende des Abends zwar freundlich aber meiner Meinung nach etwas zu eilig von der Security aus der Halle gekehrt werden. Hier wäre auch noch ein wenig nordische Gemütlichkeit angesagt gewesen. Die gönnen wir uns dann Backstage. Durch die Räumungsaktion haben auch Siggi und Jenni zeitig Feierabend und zum zweiten Mal an diesem Tag haben wir Zeit zum Quatschen. Ein einzelner kleiner Schüttelreim versucht den Abend auf Backstage-Party-Niveau zu bringen, wird aber ignoriert. Wir gucken lieber Robert beim Essen zu, erzählen uns Geschichten über abgelaufene Lebensmittel (das Backstage-Bier war noch eine EM-Fan-Edition und so kurz vor knirsch) und denken an (für immer) Abwesende. Dann wird es uns fast zu gemütlich und Siggi wird daran erinnert, dass sie noch gar nicht zum Aufbruch gemahnt hat. Diesmal vergeht zwischen dem Ruf zum Aufbruch bis zum realen Gehen tatsächlich nicht mal eine Stunde.

Nach einem für uns wenig arbeitsreichen aber sehr netten Abend und einem dann doch recht kurzen Schlaf in unserer Kellerkabine cruisen wir bei recht schönem Wetter über die Autobahn als das Handy klingelt: Wir erfahren, dass die Potheads bereits in Berlin angekommen sind – leider ohne Jürgens Handy. Das liegt noch im Rasthof Prignitz. Da sind wir natürlich grade vor 5 Minuten vorbeigefahren. Aber was macht man nicht alles für nette Menschen, die für die Lieblingsband arbeiten. Also runter von der Autobahn, wenden, zurück fahren, vier Ausfahrten und eine Baustelle später wieder wenden und beim Rasthof das Handy holen – schnell noch einen Burger für den kleinen Hunger naschen und dann wieder weiter Richtung Heimat. Alles in allem gute 1 1/2 Stunden. Wer darüber nachdenkt einen Fanclub zu gründen, sollte beachten, dass man dafür viel Zeit braucht ... :-)

Fotos: flickr.com